Heute möchte ich euch von einem Ereignis in meinem Leben berichten, welches mich sehr durcheinander gewirbelt hat und es auch heute immer mal wieder tut.

Im Oktober 2012 hatte mein Papa einen Herzinfakt. Ich weiß es noch wie heute, wenn ich nur dran denke, sind alle Emotionen wieder da. Es ist Mittwoch Abend, ich schaue gerade Grey’s Anatomie und das Telefon klingelt.
Mein Bruder ist dran: „Heike, bist du alleine?“ „Nein, warum?“ „Dann geh bitte mit dem Telefon zu Gerd, ich muss dir was wichtiges sagen“.
Schon beim Schreiben kommen mir wieder die Tränen, diese Ohnmacht, diese Wut in die ich dann verfallen bin, ist so präsent, ich kann es nicht beschreiben.
Mein Papa, mein heiß geliebter Papa, nein, der ist doch unsterblich.
Gott sei Dank konnte er mit mehreren Stents erstmal stabilisiert werden, war nur 24 Stunden auf der Intensivstation und kam nach einer Woche wieder nach Hause.
Aber es war klar, er braucht mehrere Beipässe, damit er weiterleben kann.
Mein Papa hat zusammen mit Mama beschlossen, diese erst im Januar legen zu lassen, damit wir mit der ganzen Familie nochmal Weihnachten feiern konnten, er hat geahnt, es wird sein letztes sein.

Wie konnte es soweit kommen, das Papa diesen Hinterwandinfarkt hatte. Hier beginnt meine Wut auf Ärzte und Krankenhäuser.
Papa’s Hausarzt hat ihn seit seinem 50. Lebensjahr behandelt, er hatte Diabetes II, war übergewichtig und hatte Bluthochdruck. Der liebe Doktor von meinem Papa hat es sehr einfach gemacht, immer wenn Papa angerufen hat, bekam er sein Rezept, zur Untersuchung einbestellen, wenn der Patient nicht will, nee, muss er nicht. So hat mein Papa sich jahrelang mehr oder weniger gedrückt, ihn ging es ja gut und er war nicht so der Ärztetyp. Wir als Familie konnten da nicht viel ausrichten.
Von meinem Hausarzt kenne ich es ja, wenn du dauerhaft auf Medikamente angewiesen bist, must du mindestens einmal im Jahr dich vorstellen, sonst gibt es kein neues Rezept mehr und damit bekommt er selbst Sturköpfe wie meinen Papa, warum hat es der Hausarzt meines Vaters nicht für nötig gehalten????

Die Zeit bis zur Beipass OP war eine ganz intensive Zeit für mich mit Papa. Er war nie ein Mann großer Worte, mehr die Gesten haben ihm gelegen. Wenn es ihm geschmeckt hat, hat er gegessen, loben war nicht so sein Ding. Seine Liebe hat er immer mit vielen liebevollen Gesten gezeigt, z.B. als ich mit 18 im Krankenhaus lag, brachte er mir jeden morgen von ihm frisch gebackene Brötchen (er war Bäcker) wenn er das Altersheim belieferte, damit ich gute Weck essen konnte. Wenn ich Liebeskummer hatte, ist er mit mir groß Essen gegangen, damit ich abgelenkt war.
Aber in der Zeit bis Januar hat er mir ganz oft gesagt, wie sehr er mich liebt, wie stolz er auf mich ist. Ich kann gar nicht ausdrücken, was dies für mich bedeutet. Wir waren uns wieder so nah, wie in der Zeit, als ich noch ein Kind war.

Nun kam der leidige Tag im Januar, die OP. Es hat viele Stunden gedauert, leider haben sie keine gescheiten Venen für die Beipässe gefunden und mein Papa kam erst mal fast zwei Tage nicht richtig zu sich. Auf der Aufwachstation war es grausam, laut, unpersönlich, viel zu wenig Personal. Wären meine Mutter, mein Bruder und ich nicht abwechselnd bei ihm gewesen, er hätte nichts gegessen, da ihm das Tablet hingestellt wurde und dann halt, wenn er mal wieder nichts gegessen hat, abgeräumt wurde. Seine Hände waren mindestens um das Doppelte angeschwollen, er hatte soviel Wasser eingelagert, er konnte die Finger nicht krümmen, aber auf die Idee, er kann gar nicht alleine Essen, kam keiner.
Nach zwei Tagen wurde mir von den Ärzten gesagt, er muss sich auch schon ein bißchen bemühen und mitarbeiten, sonst wird es nichts. Es war wirklich zum Heulen. Einem Menschen, der einfach nicht kann, zu unterstellen, er gibt sich keine Mühe, da ist die Wut in mir hochgekommen.
Nach drei Tagen auf der Wachstation (da bleibt der Durchschnittspatient 12 Stunden maximal) wurde er auf die Intensivstation verlegt, wo er nochmals 1 Woche blieb. Die Zustände auf der Intensivstation waren auch nicht besser, einfach viel zu wenig Personal.
Dann kam er auf die Kardiologie, in ein Doppelzimmer, mit einem anderen Patienten, der am gleichen Tag wie er die Beipass OP hatte. Da wurde uns das erste Mal bewusst, was hier mit Papa passiert, ist nicht normal. Der andere Patient war schon wieder total mobil, half meinem Vater, wo er nur konnte und wurde eine Woche später in die Reha verlegt. Papa war nicht mal in der Lage, allein aus dem Bett zu kommen, den Katheter hatte ihm auch noch niemand gezogen, auf Nachfrage, ja, wird bald erledigt. Ich kann dazu nur sagen, der Katheter wurde in der Reha entfernt, eine Schande.
Eigentlich sollte täglich der Physiotherapeut kommen und mit ihm üben, habe ich dann übernommen, damit er bis zur Reha wenigstens allein zur Toilette laufen konnte. Wir haben jeden Tag dreimal geübt, aus dem Bett aufstehen, mit dem Gehwagen den Gang entlang bis zum Stuhl, in den Stuhl setzen, 1/4 Stunde ausschnaufen, zurück zum Bett.
Nach einer Woche Normalstation (da war er ja schon drei Wochen in der Klinik) hieß es, er kommt nach Hause, in einer weiteren Woche wäre dann ein Rehaplatz frei. Da bin ich dann auf die Barrikaden, was hätte er daheim machen sollen? Meine Mutter, damals knapp 80 Jahre, hätte ihn doch so hilflos niemals versorgen können. Also behielt man ihn bis zur Reha, in die er dann vom Krankenhaus aus verlegt wurde. Leider keine spezielle mit Geriatrie, sodaß sie dort mit meinem Vater mehr oder weniger überfordert waren. Richtige Anwendungen waren in seinem Zustand gar nicht möglich, er hat die Zeit dort mehr oder weniger „abgelegen“ bis er dann drei Wochen später nach Hause entlassen wurde.
Zuhause bin ich mit ihm dann gleich zu einem neuen Arzt, dem alten von ihm hat keiner mehr von uns vertraut, und dieser hat ihn gründlich untersucht und festgestellt, Papa hat Wasser in der Lunge und nicht wenig. Wir sind sofort zum Röntgen, da wurde festgestellt, über 2 Liter, sofort in die Klinik und ambulant Wasser aus der Lunge und siehe da, Papa ging es deutlich besser, er konnte alleine laufen und war richtig gut drauf. Leider hielt es nicht lange an, da er ja schon mehrere Wochen mit diesem vielen Wasser in der Lunge (bei Einsicht in die Krankenhausunterlagen wurde festgestellt, er wurde mit dem Wasser in die Reha geschickt mit der Anweisung, es solle dort beobachtet werden) hat sein Herz sehr darunter gelitten. Es kam natürlich wieder Wasser in die Lunge, ihm ging es aber erstaunlich gut damit, wir hatten alle wieder den Eindruck, ja die Lebensgeister kommen zurück.
Aber leider hat dieser Eindruck getrügt, am Morgen des 8. März 2013 ist mein Papa leider nicht mehr aufgewacht.
Seitdem fehlt er mir jeden Tag und wenn ich immer höre, es wird mit der Zeit besser, kann ich es bis jetzt leider nicht bestätigen.

Papa du bist und bleibst immer in meinem Herzen. Leider kann ich nicht mehr rausfinden, ob du noch länger hättest leben dürfen, wenn im Krankenhaus und in der Reha einiges anders gelaufen wäre, aber ich hoffe, da, wo du jetzt bist, sitzt du oben auf deiner Wolke, in der Hand deinen Schoppen und schaust auf uns runter.

 

Danke, für deine Liebe und Wärme, du warst immer für mich da, danke für das tolle Käsekuchen Rezept und dass du mir beigebracht hast, wie ich backe und so tolle Produkte hinbekomme wie du.
Papa du fehlst, vor allem an so Tagen wie heute.